Und wieder nein !


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Geschrieben von Werner am 01. Dezember 2023 22:44:54:

Als Antwort auf: aber ja doch... geschrieben von MarkusZ am 01. Dezember 2023 21:19:41:

Du schreibst es "bei isochorer Erwärmung"

da stimmt das auch, aber in Fall der Verdichtung haben wir es nicht mit einem isochoren Prozeß zu tun, sondern mit einem nicht idealen isentropen Prozeß. Anders gesagt, wäre es ideal ohne Verluste, dann könnte man die Formel für den isentropen Prozeß verwenden. Das geht aber real nicht so, deshalb wird dieser Prozeß polytroper Prozeß genannt.

Nun aber mal zur Berechnung:

bei isentroper Verdichtung geht klarerweise das Druckverhältnis ein, also in diesem 3,5 und dann steht im Exponenten u.a. noch das Kappa, also eine Stoffkonstante, die wir bei Luft mit hervorragender Näherung als 1,4 setzen können. Auf den Isentropenexponenten kappa komme ich später noch einmal zurück.

Zunächst die Formel in der Excel-Schreibweise:

T2 = T1 x ( p2 / p1 ) ^ ( (kappa - 1) / kappa )

Für den Exponenten in der Klammer ergibt sich der Wert 0,285714. Unser Prof hätte jetzt dazu gesagt "Diesen Wert, meine Herren, kann man sich ruhig mal merken. Aber wenn Sie Probleme damit haben, dann versuchen sie wenigstens sich 2 geteilt durch 7 zu merken"

So, jetzt sieht man schon, dass der Exponent viel kleiner ist, als 1 und damit die Temperatur auch viel kleiner wird, als bei einem isochoren Prozeß. Es wäre ja sonst auch fatal, wenn solch wahnsinnige Temperaturen aufträten. So würde z.B. ein Dieselmotor, der effektiv etwa 1:15 verdichtet, die angesaugte Luft auf über 4000 °C verdichten.

Ok, weiter !

Druckverhältnis hoch besagtem Exponenten ergibt 3,5 ^ 0,285714 => 1,43

Dies ist jetzt der Faktor, mit dem man die Eingangstemperatur in Kelvin zu multiplizieren hat, also in diesem Fall sagen wir 20 °C gleich 293 K mal 1,43 sind 419 K, was wiederum 146 °C entspricht.

Soweit so schön, das ist die reine Lehre der Thermodynamik von Gasen mit idealem Verhalten. Bei Luft kann man das ruhig unterstellen, die ist so weit weg vom Verflüssigungspunkt, dass man mit der Annahme des idealen Verhaltens keinen Fehler macht. Wenn wir im Flüssiggasbereich rechnen, können wir uns das nicht so einfach machen. Dann wird die Berechnung wesentlich komplexer.

Nun kommen aber zwei Wirkungsgrade hinzu, die dem Leben erst die richtig Würze geben. Zun einen ist das der thermodynamische Wirkungsgrade, zum anderen der mechanische. Es ist wichtig, dies nicht zu verwechseln oder zu vermischen.

Damit es nicht so einfach wird, kommt auch noch die Wärmeübertragung hinzu, die Markus Z ja schon erwähnt hat.

Für die Ermittlung der Endtemperatur, mit der also die Luft den Lader verläßt, sind der thermodynamische Wirkungsgrad und die Wärmeübertragung relevant.

Würde man jetzt den thermodynamischen Wirkungsgrad auf 70 % setzen, dann müßte man zu der ideal ermittelten Endtemperatur noch 1/0,7 Arbeit, also Energie oben drauf setzen und in Wärme umrechnen. Das ist selbst für die hardcore Thermodynamiker so umständlich, dass man sich anders behilft.

Und jetzt kommt der Exponent noch einmal: der sog. Polytropenexponent erweist sich als halbwegs brauchbares Mittel, um die Abweichung im Idealzustand zu berücksichtigen. Es ist ein bequemer Pantoffel, der aber nur in bestimmten Bereich gültig ist. "Bestimmt" heißt dabei, "durch Versuche ermittelt"

Bei kleinen Luftverdichtern, oder auch Baumarktkompressoren rechnet man mit dem Polytropenexponenten von 1,2. Das bedeutet dann, dass die Temperatur noch niedrieger ist am Austritt, als am obigen Beispiel. Der Grund ist die Wärmeabfuhr durch die Zylinderwand, den Kolben und den ZK, der nicht nur die Temperatur senkt, sondern auch die Verdichterarbeit niedriger ausfallen läßt.

Beim Turbo klappt das nicht so, der ist winzig gegenüber seiner durchgeschaufelten Luftmenge und daher ist trotz Wärmeabfuhr kein großer Bonus auf den Exponenten möglich. Im Gegenteil, der Turbo verwirbelt die Luft und heizt sie auf, sodaß der Polytropenex höher wird, als der Isentropenex.

Übliche Werte für Turbomaschinen mit Luft sind 1,6 bis 1,65. Für einen Autoturbo würde ich auch mindestens solch einen Wert ansetzen. Nehmen wir also mal das gut ausgelegte Verdichterrad und setzen 1,6

dann erhalten wir für den Formelexponenten (1,6 - 1) / 1,6 => 0,375 oder auch 3/8

Nun sind wir bei 3,5 hoch 0,375 => 1,6 aus 293 Kelvin werden also 467 Kelvin und damit 196 °C

Cooool, ich hätte so aus dem Bauch heraus 200 °C geschätzt.

Inwieweit jetzt noch Wärme aus dem Turbinenteil rüber kommt, kann ich nicht so richtig einschätzen. Ein paar Grad vielleicht, aber nicht die Welt. Wenn ich jetzt den Auftrag hätte, die 200 °C glatt zu verifizieren, würde ich das so hinrechnen. Aber bei den hohen Temperaturen ist auch eine WärmeABFUHR erwarten.

Also nach vielen Formeln und klugen Gesetzen kommt raus: Nix genaues weiß man nicht. Von Vorteil ist, dass generell bei Turbos die Mengen so viel größer sind, als die Oberflächen der Maschinen, dass man die Wärmeabfuhr oder -zufuhr getrost vernachlässigen kann.

Ich sag mal, 200 °C sind ganz realistisch.

Am Eintritt in den LLK könnte das durch die Strömungsgeschwindigkeit (die ja Energie bedeutet) schon wieder etwas kälter sein. Aber von 180 °C würde ich schon ausgehen für diese Anwendung.

Luft hat eine sehr kleine Wärmekonstante. Es braucht also nicht viel Energie, um sie zu kühlen. Der Ladeluftkühler ist ja ein echter Luftkühler. Der Wasserkühler eines Autos ist KEIN Luftkühler, auch wenn im Jargon die Namen oft verwechselt werden. Bei Wasser ist nicht nur die Wärmekonstante mehr als viermal höher 4, 1868 usw. , sondern auch die Dichte um Faktor 800 größer. Dadurch ist zu erklären, dass das Kühlwasser den Kühler um wenige Grad kälter wieder verläßt, während im LLK die Luft gleich um dreistellige Werte an Temperatur verliert.


So, und um der Ermüdung des Lesers jetzt noch weiteren Vorschub zu leisten: das ist der Grund, dass ich für meinen Dieselzweitakter versucht habe, die Strömungskanäle so zu optimieren, dass zum Spülen der Zylinder ein Gebläse reicht, was die Luft nur ganz wenig erwärmt. Dann nämlich braucht man keinen LLK und das vereinfacht die Geschichte schon wieder erheblich.

Gruß

Werner

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