Das ist so ein bißchen Brutto für Netto


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Geschrieben von Werner am 03. Mai 2018 12:32:01:

Als Antwort auf: Ein Motor im Test Labor mit 60% Wirkungsgrad geschrieben von Karola am 02. Mai 2018 14:12:26:

Moin,

wenn man alle Widerstände abzieht, die ein Motor so hat, dann kommt man auf die indizierte Leistung. Dabei wird aber auch schnell gemogelt => es ist ja auch zu verführerisch. grins

So, und jetzt zur Praxis: wie messe ich das denn überhaupt?


Ich nehme ein Fahrzeug auf den Rollenprüfstand und lasse ihn die die Schwungmasse hochdrehen. (Und ehe jetzt wieder die schlauen Experten meutern: ich weiß, daß es auch andere Prüfstände gibt)

Aus der Beschleunigung der Rolle errechnet der Computer das jeweilig abgegebene Drehmoment und aus diesem Drehmoment und der gerade aktuellen Drehzahl dann die Leistung. Den Kunden interessiert aber nicht die Leistung an den Rädern, sondern die Motorleistung. Also wird die Kupplung gezogen, getreten, oder was auch immer und die Rolle läuft ohne Last aus, wobei jetzt aus dem Bremswiderstand ausgerechnet wird, wie groß die Verluste sind. Der Computer schlägt auf die gemessene Leistung die Bremsleistung drauf und das wird dann Motorleistung genannt.

Eine sehr einfach praktikable Methode, die allerdings auch fehlerbehaftet ist. Reifen, Getriebe, Differential und alle an der Kraftübertragung beteiligten Dinge haben unter Last einen etwas anderen Widerstand, als im freien Auslauf. Da wird sich unter Tunern schon mal gerne über den Faktor gestritten.

Wenn ich jetzt aber die Kupplung beim Auslaufen NICHT betätige, sondern nur Gas wegnehme, dann bremst der Motor mit allen seinen Verlusten die Rolle runter und die Verlustleistung ist entsprechend viel höher.

Kleines Beispiel:

Mein Motorrad ist mit 47 PS bei 6500/min angegeben. Es ist eine Zweizylindermaschine mit 675 cm³. Das maximale Drehmoment ist mit 54 Nm bei 4500/min angegeben. Messungen auf dem Rollenprüfstand haben das so ziemlich genau bestätigt.

Mir war das nicht genug und ich habe zusammen mit dem Tuner ein wenig gebastelt. Im Ergebnis sank die Leistung auf 44 PS und das Drehmoment stieg auf 58 Nm bei nunmehr 4000/min. Genau so wollte ich es haben. Schneller wurde das Motorrad also nicht, aber noch etwas kräftiger.

Nun haben wir einige Male dafür den Prüfstand bemühen müssen und sind auf verschiedene Ideen gekommen. Aus Blödsinn haben wir dann mal nicht die Kupplung im Auslauf gezogen, sondern nur das Gas weggenommen.

Da wurden plötzlich 70 PS als Leistung errechnet !! "Wow, wenn ich das meinen Freunden zeige . . . " derdickedaumen


Nun aber weiter, mir hat das noch nicht gereicht. Ich wollte wissen, ob man den Unterschied zwischen geöffneten und geschlossenen Vergaserschiebern durch die Messung erkennen kann.

Man kann ! Bei geschlossenen Schieber bremst der Motor im mittleren Drehzahlbereich wesentlich stärker, als wenn er frei ansaugen kann. Mein Freund hat sogar seine Prüfstands-Abgasanlage riskiert für Tests mit abgeschalteter Zündung und geöffneten Vergasern. Das heißt ja, daß der Motor Verbrennungsgemisch durch die Auspüffe in die Abgasabführung bläst. Ein Fehlfunken und die flexiblen Rohrleitungen wären weg gewesen dudu Vergaser kann man nun mal nicht abstellen wie eine Einspritzanlage.

Bei hohen Drehzahlen braucht der Motor für die Gaswechsel ohne Verbrennung wesentlich mehr Leistung, um das Volumen durchzupumpen, als wenn die Gasschieber geschlossen blieben. Irgendwo bei 4800/min lag der Schnittpunkt, wo die Gaswechselleitung wieder unter den Wert der Schubphasenleistung sank. Ich weiß nicht mehr, wie oft wir Prüfstandsläufe gemacht haben, aber es fehlte hinterher deutlich Benzin im Tank.


So, wenn Du halbwegs mitgekommen bist, hast Du die Möglichkeiten der Manipulation von Meßwerten schon erkannt. Na logisch wird da getrickst. Heute wird alles überworben, alles ist super und toller und überhaupt. Wen interessiert Wahrheit? Wer weiß überhaupt, wie der thermodynamische Wirkungsgrad definiert ist ?

Es gibt eine ganz einfache Formal dafür, die man z.B. im Grigull, technische Thermodynamik nachlesen kann. Aber die ist freilich simpelste Theorie, die von einer vollständigen Verbrennung ausgeht, die keinerlei Wärmeverluste ansetzt, die den Gaswechsel nicht berücksichtigt, als das Hin und Her pumpen von Luft und Abgas. Lediglich die Kompressionsarbeit für die Verdichtung ist enthalten. Und so kann ich auf dem Papier schon einen Motor heilig rechnen, der in der Praxis gar nicht das bringt. Ich sage dann einfach thermodynamischer Wirkungsgrad und schon fährt mein Formel 1 Auto mit einem Schiffsdiesel um die Wette . . . .

Krasser Blödsinn ! Ein Rennauto kommt niemals auch nur in die Nähe dessen, was heute Schiffsmotoren können. Wir haben vor zwei Jahren in Japan bei der Umstellung einer Schiffsmaschine auf Brenngas mitgewirkt. Das war bei Mitsui, die MAN-Maschinen in Lizenz baut. Der Motor hatte bei 100/min pro Minute ein Drehmoment von etwa 1,1 Mio Nm und einen Gesamtwirkungsgrad von 57% . Das ist heute high end!

Nun ging es darum, wie viel der Motor im Gasbetrieb (Zündstrahler) noch an Wirkungsgrad hat. Es war etwas weniger, weil man das Brenngas nicht so gut und schnell entzünden kann. Bei leicht gestiegenen Abgastemperaturen kamen also noch 54% zustande, wobei man ehrlicherweise dazu sagen muß, daß unsere Hochdruckgasanlage noch mal 1% der Leistung verbraucht hat, um dem Dicken den Brennstoff zu liefern. So etwas wird in der Werbung auch gerne mal unterschlagen.

Die Konkurrenz schafft im Gasbetrieb 50% Wirkungsgrad. Das ist nicht so viel schlechter. Daher zögern auch viele Kunden, das teurere und kompliziertere Hochdruckverfahren zu ordern. Auf dem Schiff muß sich jeder selbst helfen können und nicht nur der beste Wirkungsgrad entscheidet.

Aber wir bleiben dran. Die ersten Schiffe fahren damit und sparen viel Geld durch das preiswerte Gas.


Gruß

Werner

(Ich gebe zu, daß ich jetzt auch gestrunzt habe)

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