Der Zündzeitpunkt bei hohen Drehzahlen


[ FMSO.DE - Fahren mit Salatöl (deutsch) ]


Geschrieben von Werner am 24. September 2025 16:13:09:

Als Antwort auf: Re: Ok geschrieben von ray am 22. September 2025 18:18:26:

ist in der Tat nicht mehr entscheidend. Das ist altes Tunerwissen, bzw. Tunererfahrung.

Die Zündkerze entzündet in ihrer Umgebung ein kleines Feuer, was sich ausbreiten soll. Die Flammenfront hat eine endliche Geschwindigkeit, die man unter den Annahme von konstanten Bedingungen berechnen kann und die im Laborversuch diesen Berechnungen sogar Folge leistet. Das gilt aber nur dann, wenn während des Abbrandes die Randbedingungen gleich bleiben.

Ich habe schon mit Leuten am Prüfstand gestanden, wo ein mir sehr bekannter Tuner aus Spaß die Zündung auf 40° vor OT gestellt hat. Dieses während ganz hoher Drehzahl mit dem Power Commander (hieß der so, ich bin unsicher).

Es war in der Tat kein Unterschied festzustellen und die Diskussionen gingen los, warum das so war. Bis hin zu Glühzündungen, was aber sofort entkräftet wurde, weil bei Ausschalten der Zündung sofort Ende war.

Ein kleines Wölkchen um die Zündkerze herum breitet sich aus mit einer Geschwindigkeit, die nicht nur für Rasenmäherviel zu langsam ist. Nimmt man bei Viertaktern ohne Schubabschaltung das Gas weg, dann plöppert es, weil die Verbrennung so langsam läuft, dass sie erst beim Ausstoßen der Abgase ganz wirksam wird. Wir haben mal Tests gemacht, um festzustellen, ob der Motor im Schubbetrieb ohne Zündung sich leichter dreht, als mit Zündung, weil die Annahme bestand, dass der verspätete Abbrand den Abgasausschub bremst. Das ließ sich aber beim Test nicht verifizieren. Der Motor im Schubbetrieb ist eh eine Bremse, weil er das vom Kolben erzeugt Vakuum nicht wieder zurück bekommt. Schuld ist das geöffnete Auslaßventil, was das Gas rückwärts in den Zylinder einströmen läßt.

Ok, aber nun zum Abbrand bei Drehzahlen. Die beiden entscheidenden Faktoren sind die Temperatur und die Verwirbelung, wobei man eine hohe Temperatur auch als Miniaturverwirbelung auf molekularem Raum auffassen kann. Somit ist es eigentlich nur ein Grund, der aber zusammengesetzt ist aus dem natürlichen Verhalten eines Gases unter Verdichtung und der vom Konstrukteur vorgesehenen Verwirbelung, die durch den enger werdenen Raum ebenfalls zunimmt.

Für einen Drall muß ein gewisse Endergie aufgebracht werden. Der Wirbel speichert diese Energie, wenn auch unter Verlusten, die dann in die erwähnten Mikrowirbel, sprich Temperaturerhöhung übergehen. Wenn aber der molekular gesehene Großwirbel zusammen gedrückt wird, steigt seine Drehzahl an, weil die gespeicherte Energie, i.e., Umfangsgeschwindigkeit gleich bleibt.

Und so passiert es: die Kerze funkt, ein kleines Zündwölkchen steht oben am Zylinderkopf und würde sich, wenn alles so bleibt, in sehr sehr langsamer Geschwindigkeit ausbreiten. Die Verwirbelung nimmt aber mit aufsteigendem Kolben immer mehr so, es kommt zu der "gezackt aufgerauhten Flammenfront" (ein schöner Begriff, aus einer Studie über Verbrennungsmotoren von VW entlehnt) und die Temperatur steigt ganz erheblich, was die Geschwindigkeit der Flammenfront, ob nun aufgerauht oder nicht, wesentlich steigert.

Im Grunde kann man sagen, dass das Verdichtungsverhältnis im Verein mit der Verwirbelung den Zündzeitpunkt bestimmt, die kleine Zündwolke selbst fällt dabei nicht ins Gewicht.

Schlimm ist es, wenn es lokale Entzündungen gibt, die nicht durch die Wärme der Flammenfront entstehen, sondern durch die Drucksteigerung selbst. Und da sind die freien Radikale ein großer Störenfried in der Verbrennung. Das ältere Bleitetraäthyl war ja als Radikalenfänger gedacht und hat selbst keinen großen Heizwert.

Ob zwei Zündkerzen bei hohen Drehzahlen die Leistung verbessern . . . darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Die alten Porsches hatten Doppelzündungen, mit denen sie bessere Leistung hatten. Aber so richtig hoch haben die auch noch nicht gedreht und die Brennräume des Ex-Käfers waren auch nicht gerade optimal.

Die alten Benzinerflugmotoren mit ihren niedrigen Verdichtungen und großen Einzelhubräumen hatten schon deshalb zwei Zündkerzen. Es ging um die Leistung, der Sicherheitsgewinn kam aus Draufgabe dazu. Als sich die Zündapparate etabliert hatten und die Entwicklung quasi abgeschlossen war, gingen die Motoren eher kaputt, als die Zündung, wobei die Kerzen auch ein Sorgenkind waren. Der Ausfall eines Zündmagneten ist jedenfalls seltener, als ein Pleuelabriß bei den Boxerbenzinern.

Die Abgasmaessungen von klopfenden Motoren zeigen jedefalls stark ansteigende Temperatur bei abnehmender Leistung der Maschine. Als Student habe ich die Klopfmotoren in der Raffinerie mit versorgt und selbst solche Dinge festgestellt. Damals hatten wir noch Blei im Sprit, es gab Super und Normal und die Prüfmotoren hatten eine verstellbare Verdichtung. Die Drehzahl entspach etwa heutiger Leerlaufdrehzahlen von Motoren, es gab schon damals eine Menge Diskussionen darüber, ob man das Verfahren nicht moderneren Verhältnissen anpassen sollte. Für den Spritkocher ist das alles kein Thema, der hält seine Spezifikationen ein und für den Rest sind die Motorenbauer zuständig - was diese ja auch mit enormen Erfolg hingekommen.

Gruß

Werner

Wie lesenswert findest Du diesen Beitrag?                 Info zur Bewertung




Antworten:


[ FMSO.DE - Fahren mit Salatöl (deutsch) ]