Mal was grundsätzliches zu Radialverdichtern


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Geschrieben von Werner am 12. Mai 2023 15:53:58:

Moin,

schon bald nach der Entwicklung der erste Verbrennungsmotoren wurde darüber nachgedacht, wie man denn die oder den Zylinder besser füllen könnte, um mehr Leistung bei nur gering höherer mechanischer Verlustleistung, i.e. besseren Wirkungsgrad zu bekommen.

Da gab es früher tolle Patente, z.B. hat Papa Ravel, der Vater des berühmten Komponisten Maurice Ravel, ein Patent gehabt, was den Druckunterschied im Gehäuse eines Einzylinders nimmt, um diesen mit einem gewissen Vordruck aufzuladen. Da da nur bei Ein- oder Zweizylindern in Gleichläuferausführung funktionieren kann, kam der Erfindung keine besondere Bedeutung zu. Außerdem gab es natürlich starke Ölverluste, die aber in der Zeit alle Motoren hatten.

Es gab auch Versuche mit Kolbenpumpen, die aber logischerweise den Gesamtwirkungsgrad verschlechterten.

Mercedes hat den "Kompressor" gebaut, der eigentlich keine echter Kompressor war, sondern ein Gichtgebläse, also die Windmaschine für Hochöfen. Das Rootsgebläse, oder verächtlich Wurzelpuster genannt, hat bei idealer Abdichtung, auf die allerdings verzichtet wird, eine Kennlinie, wie eine Konstantvolumen-Maschine. Es ist also kein Kreiselgebläse, dessen Volumenstrom bei Gegenwiderstand einbricht. Für den Hochofenprozess war das wichtig, weil man nicht genau vorhersagen konnte, welches Stück Schlacke oder welcher Erzklumpen gerade im Weg ist in der Schmelze. Diese Gebläseart wird aus dem gleichen Grund für die Belüftung von Klärbecken verwendet.

Mercedes hat also, um ein Rennen zu gewinnen, mal schnell etwas dazu gebaut und damit ungeheure Furore gemacht. Das Gebläse wurde manuell durch den zweiten Mann im Rennauto in Betrieb gesetzt und soll angeblich einen solchen Leistungsgewinn gebracht haben, dass Fahrer und Fahrzeug damit glatt überfordert waren. Wenn die Begeisterung der Massen dann so groß ist, wozu etwas ändern ?

Zwischen den beiden Weltkriegen haben die Konstrukteure dann ernsthafter überlegt, wie man Motoren aufladen kann. Um dem Feind überlegen zu sein, kam es u.a. drauf an, möglichst große Höhen erreichen zu können. Man erforschte Strömungsmaschinen in dieser Zeit intensiver, denn diese galten und gelten immer noch als die zuverlässigsten bei sehr kompakter Bauweise.

Um eine Maschine mit dem geforderten Volumenstrom bei entsprechendem Druck versorgen zu können, muß eine Strömungmaschine das Medium, also die Luft, sehr stark beschleunigen. Die schnell fließende Luft selbst ändert dabei ihren Druck nicht, aber die Geschwindigkeit. Sie gelangt mit dieser hohen Geschwindigkeit dann in einen Beruhigungsraum, wo sie möglichst verlustarm abgebremst wird, wodurch sich dann der Druck aufbaut. Meist ist der erste Beruhigungsraum schon das Gehäuse eines Verdichter selbst. Dort entstehen auch schon die ersten echten Verluste. Besser ist es, wenn man die Luft schon gleich vom Verdichter wegführen kann und erst in einem dafür gestalteten Kessel zur Ruhe kommen lassen kann. Das bedeutet aber, dass man die Luft durch Rohrleitungen mit sehr hoher Geschwindigkeit führen muß, was auch wieder Verluste bringt. Es war damals des Tüftelns kein Ende !

Nachdem die physikalischen Gesetze alle bekannt und verdaut waren, ging es jetzt darum, möglichst verlustarm die Verdichtung zu gestalten. Das beginnt an der Gehäuseeinlaßöffnung, geht weiter über den Einlauf am Verdichterad, weiter über das Verdichterrad selbst und über den Ausströmverlust aus den Kanälen des Verdichterrades. Darüber sind dann eine Hand voll Kennzahlen entstanden, wie z.B. die Saugzahl (die ist aber schon was älter), die Durchflußzahl, die Druckzahl und noch ein paar mehr.

Ganz klar war nur: es muß für einen bestimmten Druck auf jeden Fall eine bestimmte Umfangsgeschwindigkeit des Läufers her! Die Formel dafür ist einfach und jeder der Beteiligten hat sie im Kopf.

Ja nun, im Bereich von 150 m/s ist das alles noch ziemlich einfach. Bei der Geschwindigkeit läßt sich in Meereshöhe maximal eine Druckerhöhung von 0,135 bar realisieren. Viel zu wenig für den Bedarf! Also mehrstufige Verdichtung ? Ok, geht, ist auch wirtschaftlich, wird aber sehr groß in der Baugröße und kompliziert in der Mechanik. Nein, es mußte einfach schneller gehen.

Wenn man die Drehzahlen der damaligen Motoren betrachtet und gemäßt pi mal Durchmesser und Drehzahl auf z.B. 200 m/s kommen will, dann wird daraus ein Laufrad von mehr, als anderthalb Metern, zu groß für Flugzeuge oder LKWs.

Die englische Spitfire hat ein Getriebe und einen zweistufigen Lader. Dieser frißt einen ganz erheblichen Teil der Motorleistung (ich habe 30% im Kopf, kann aber falsch sein) und bringt dennoch die vierstellige PS-Leistung auch in großen Höhen.

Hugo Junkers baute ebenfalls einen Getriebelader für seine Dieselzweitakter, aber man schaute genauer hin auf die Verluste.

Ein normales Laufrad, z.B. von einer Wasserpumpe, hat geschlossene Kanäle. Kanäle bedeuten Widerstand. Ist das Laufrad sehr groß, so ist der Kanal sehr lang. Das ist unerwünscht. Bei sehr großen Mengen hingegen, so der Kanal in jedem Fall sehr groß gemacht werden muß, darf er auch ruhig ein bißchen länger sein, die Verluste fallen nicht so ins Gewicht.

Und somit steht man beim Verbrennungsmotor vor einem echten Problem: der Motor braucht im Verhältnis zu dem geforderten Druck eigentlich nur wenig Luftmege. Und damit sollten die Kanäle möglichst kurz sein. Dieses wiederum führt zu kleinen Durchmesser und dieses wiederum führt zu extrem hohen Drehzahlen. Beim Junkes Diesel waren es noch 19.000/min, etwas, was die Fachwelt schon äußerst skeptisch sah. Wie gesagt, alles per Getriebe angetrieben.

Diese Gebläse nannte man damals nicht ohne Ehrfurcht "Grenzleistungsgebläse".

Elektromotoren waren in dieser Zeit nicht so weit, solch hohe Drehzahlen zu erreichen. Probiert wurde es sogar auch.

Also mußte ein geeigneter Antrieb für den schnell laufenden Lader her. Und dies war eben die Turbine. Erst noch mit Fremdluft betrieben, dann aber bald mit Abgas, beim Diesel auch nicht allzu kritisch in der Temperatur.

Der Abgasturbolader hat sich etabliert, auch wenn es noch andere Konstruktionen gab. Bei den Flugmotoren der amerikanischen Bomber wurde per Getriebe der Ladeverdichter angetrieben und dann noch mal mehrere Abgasturbinen wieder per Getriebe mit drauf geschaltet. Im Steigflug mußte das Ladergetriebe bei etwa 5000 Metern Höhe umgeschaltet werden auf einen anderen Gang. Dazu nahm der Pilot zwei Motoren auf Leerlauf, schaltete diese um, regelte sie wieder auf und nahm die beiden anderen auf Leerlauf zum Umschalten. In den 50er Jahren mußte das bei den Passagiermaschinen auch so gemacht werden.

Später, als die Turbos Einzug in die PKWs hielten, wurde dann Reklame gemacht, die Verdichtungsenergie käme umsonst durch die im Abgas enthaltene Energie. Das stimmt so nur teilweise, ist aber werbeträchtig. Klarerweise ist es aber sparsamer, als ein Getriebe dafür zu bauen.

Dennoch ist der Hauptgrund für diesen Laderantrieb die notwendige hohe Drehzahl des Verdichters.

Gruß

Werner

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