Nein, kann man nicht


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Geschrieben von Werner am 07. März 2023 18:00:48:

Als Antwort auf: Wegen seiner Stall-Warnung... geschrieben von Joachim S am 07. März 2023 17:10:36:

Nach Gefühl die Geschwindigkeit fliegen geht in gewissen Grenzen. Geflogen wird eigentlich nach Lage. Der Flugschüler lernt erstmal, auf den Horizont zu achten.

Es ist schon so, dass ein normales Flugzeug ohne Störung auch die richtige Geschwindigkeit fliegt, wenn keiner am Steuerknüppel zieht oder die Trimmung arg verstellt ist. Im Normalflug stabilisiert sich die "Fahrt" von selbst. Wenn gescheit getrimmt ist, also beim Loslassen des Knüppels die Fahrt bleibt, dann tut sie das auch in den Wolken. Allerdings greift der Mensch leicht ein, wenn er Scheinwahrnehmungen bekommt. Das geht sehr schnell ohne Sicht, man glaubt die Maschine legt sich in die Kurve o.ä. . Wenn dann noch Böen dazu kommen, auf die man glaubt, reagieren zu müssen, dann wirds böse.

Nerven behalten ist das A und O. Aber es gelingt nicht jedem. Der Typ in dem Video hat das gut gemacht, der schien mir auch schon etwas älter zu sein.

Ich erinnere mich gut an einen nächtlichen Heimflug im Airliner, Flugzeug B727, mein Lieblingsflugzeug. Und da ging es im Anflug auf Köln/Bonn auch durch die Wolken. Die Wolkendecke war nicht komplett geschlossen, aber ein großer Teil es Anfluges war ohne Sicht.

Ich habe hinten drin gesessen und mir vorgestellt, welche Fluglage wir wohl haben könnten. Es gab ein paar leichte Böen, die konnte ich innerlich wegkompensieren. Dann gingen die Triebwerke mal schneller, mal langsamer, dann fuhren auch mal kurz die Spoiler aus, ehe dann die Klappen gesetzt wurden und das Fahrwerk ausfuhr. Ich hätte mir alle Lagen vorstellen können außerhalb der Normalfluglage. Man merkt ja eine Schräglage auch nicht, wenn man sauber fliegt.

Und dann war aber unüberspürbar: wir fliegen eine Kurve, nicht nur, dass sich die Flügel im sichtbaren Bereich etwas durchbogen, es war auch deutlich kräftigerer Sitzdruck zu spüren. Da ich den Anflug noch bei Sicht etwas verfolgt hatte, war mir klar, dass nur die letzte Linkskurve eingeleitet war. Allerdings war sie für meinen Geschmack etwas steil. Und da kam das erste Licht durch die Wolken, ich saß links in der Kabine und schaute wieder zum Flügel, der ja nun auf den Boden zeigte, um unten irgendwas zu erkennen - Autobahn z.B.

Doch waaaas ? UNTEN war der Mond, der leuchtete !!! Und sonst nichts !! Mammi, wir stürzen ab, wir sind im Orbit, das kann doch alles gar nicht sein . . .

Es war eine harte Rechtskurve, eingeleitet weil im Anflug noch die Landebahn geändert wurde und der Flieger auf die Parallelbahn geschwenkt hat.

Bis man wieder in der Realität ist und richtig reagieren kann, dauert es einige Sekunden. Es ist schon mehrmals passiert, dass Piloten, denen die Lotsen geholfen haben, gesagt haben "Landebahn in Sicht" und dann abgestürzt sind - neben der Landebahn. Sie sind nicht damit fertig geworden, was sie gesehen haben. Das Gehirn stellt sich mit der Erwartung auf einen bestimmten optischen Eindruck ein und wenn der nicht erfüllt wird, ist erstmal Sendepause im Gehirn.

Diese ganzen Scheineindrücke usw. muß der Berufspilot erstmal lernen zu ignorieren. Dann klappts, aber nur mit den richtigen Instrumenten. Ein Armateurflieger, der vielleicht sogar Instrumente hat, aber Streß hat und lieber durch den Regen laufen würde, als im Flugzeug zu sitzen, der kann dann damit nicht richtig umgehen.

Im Segelflugzeug hat mich mal ein Lehrer gefragt "Warst du schon mal in einer Wolke?" Da es verboten ist und gefährlich, war ich natürlich noch nicht in einer Wolke. Er meinte dann, ich solle mal erfahren, wie schnell man die Orientierung verliert. Es wurde über den geplanten Vorgang Stillschweigen vereinbart.

Wir haben dann das Schulsegelflugzeug sauber ausgetrimmt auf 80 km/h und immer wieder zur Kontrolle alles losgelassen. Die gute alte ASK 13 fliegt wunderbar, wenn man sie läßt.

Dann meinte er: "Du siehst, das Flugzeug bleibt stabil und es kann nicht gucken. Also nehmen wir jetzt dieses Wölkchen vor uns, da sind wir schnell durch und wir lassen fliegen. Ich will deine Hände sehen, dass du nichts anfasst. Sollte irgendwas sein, fahre ich die Bremsklappen aus und wir tauchen nach unten aus der Wolke raus. Du zählst bis 10 und ich garantiere dir, du weiß spätestens bei 7 nicht mehr, wo oben und unten ist."

Und so geschah es. Hinein mit erhobenen Händen, keine Sicht mehr. Das Auge versucht den Nebel zu fokussieren, was unmöglich ist und extrem verwirrend. Ich zähle und bei 5 weiß ich schon nicht mehr, ob wir gerade fliegen. Der Fahrtmwesser zeigt ruhig weiter seine 80 an, die Geräusche bleiben gleich, es wird etwas feucht in der Kabine und dunkel ist es auch ziemlich. Jaaa, und nach sehr kurzer Zeit wurde es auch schon wieder heller und "plupp", waren wir wieder draußen.

Ich bin dem Mann, einem diplomierten Physiker, heute noch dankbar für die Erfahrung.

Gruß

Werner

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