Re: Da wäre es mir eh zu laut.


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Geschrieben von Joachim S am 19. August 2022 12:08:49:

Als Antwort auf: Da wäre es mir eh zu laut. geschrieben von waldi am 19. August 2022 11:30:25:

Hi Waldi,

Denken wäre wesentlich wertvoller, wenn es ergebnisoffen dazu dienen würde, die eigene Meinung zu hinterfragen und ggfs. zu ändern.

Aber es wird nur ganz selten dazu eingesetzt... Meistens hat man schon ne Meinung, oder schon einen Entschluss gefasst. Dann (viel zu spät) setzt der Denkapparat ein, und sucht Argumente, die die Meinung (oder Entschluss) bestätigen.

Er tut so, als wäre er fair, und berücksichtigt auch Gegenargumente, bewertet die aber als weniger wichtig oder relevant.

Das hab ich mir nicht aus den Fingern gesogen, es ist tatsächlich Ergebnis aktueller Hirnforschung ;-)

Am Besten klappt das Denken also wohl, wenn man noch keine Meinung hat... Gerade gestern Abend hatte ich ne Diskussion mit meiner Mutter. Es ging um die Masern-Impfpflicht.

Mutter kann nicht verstehen, wie andere Mütter auf die Idee kommen, ihre Kinder nicht impfen zu lassen. Das ist "verantwortungslos", sagte sie empört.

Ich stimme ihr im Prinzip zu, hab mich aber an dem Wort "verantwortungslos" aufgehängt. "Nein, diese Mütter sind sehr besorgt um ihre Kinder, und versuchen höchst verantwortungsvoll das Beste für ihre Kinder zu erreichen", hilft ich dagegen. "Sie sind nur anderer Meinung bezüglich Gefahr und Nutzen von Impfungen."

Diese Meinung ist eben mit großer Sicherheit falsch, und so schaden sie dem Kind und der Allgemeinheit. Aber nicht aus Verantwortungslosigkeit, sondern höchstens aus einer unwissenschaftlichen Geisteshaltung in Kombination mit Desinformation. (Ein Beispiel, wo eigenes Denken dann in die Hose geht.)

Meine Argumente drangen nicht durch. Obwohl sie doch unfraglich stichhaltig und überzeugend sein müssten.

Sie bekommt sie eher in den falschen Hals, bestenfalls setzt sie sich nicht mit ihnen auseinander, und am Ende sagt sie: "Und doch ist es verantwortungslos".

Das ist kein besonderes Merkmal meiner Mutter, wir ticken alle so.

Eine solidierte Meinung kann man nicht mit Gegenargumenten zu Fall bringen. Praktisch nie. Die Leute werden eher aggressiv, als sich mit Argumenten auseinander zu setzen, die im Nachhinein zu der Erkenntnis führen würden: "Oha, da hab mich wohl jahrelang total geirrt, womöglich war ich ein bisschen uninformiert, oder sogar zu dumm."

Das gesteht sich niemand leicht ein!

Und das entwertet objektiv gesehen unser Denken doch ziemlich.

Wie gesagt, ich bleib trotzdem Fan vom Denken... Es macht mir auch viel zu viel Spaß, als dass ich drauf verzichten möchte ;-)

Am Besten funktioniert das Denken auf jeden Fall, wenn man noch keine festgefahrene Meinung zu einem Thema entwickelt hat. Und wenn man nicht emotional drin steckt.

Wenn ich einen Fehler in einer Roboteranlage suche, kann ich das gut. Argumente, wie "das kann doch garnicht sein, das hatten wir noch nie, das hat der Kollege (oder ich selbst) doch schon geprüft..." kann ich da bedenkenlos vom Tisch wischen und unbefangen denken. Hypothesen entwickeln, Experimente überlegen um sie zu widerlegen oder zu stützen, Ergebnisse einbeziehen, neu denken...

Es macht Spaß, ich bin voll in meinem Element und richtig gut darin...

Gehts um Sachen, wo ich emotional drin stecke, bin ich (fast ;-) ) genauso verbohrt, wie alle Anderen auch.

Gruss Jo

PS, hab neulich eine Autobiographie von Robert Feynman gelesen. "Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman". Höchst unterhaltsam und empfehlenswert.

Im Schlusskapitel geht er auf "wissenschaftliche Redlichkeit" ein. Dass man es schaffen muss, die Ergebnisse unvoreingenommen zu betrachten. Und man es schaffen muss, seinen Kollegen nichts vorzumachen.

Und dass man selbst der Mensch ist, dem man am Allerleichtesten was vormachen kann, und dass es verdammt schwierig ist, sich selbst nichts vorzumachen. Und dass man damit anfangen soll.

Es spricht mir aus der Seele...

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