Stimmt, das Puzzle war noch nicht vollständig, also weiter im Detail


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Geschrieben von Werner am 08. Juni 2022 13:31:48:

Als Antwort auf: Re: Kann ich machen. Morgen vielleicht, wenns klappt. geschrieben von Manuel [ER] am 08. Juni 2022 11:24:56:

Moin,

hast Recht damit, also wollen wir mal weiter gehen - betrachten wir nur einen Zylinder. Ich hatte mal 0,5 bar Unterdruck unterstellt, gehe aber davon aus, dass es weniger ist, vielleicht eher 0,3 bar:

Der Kolben saugt erstmal Luft an und wird durch die Drosselung abgebremst, was ohne Drosselung nicht so ist. Was bremst ? Über dem Kolben ist der Unterdruck, unter dem Kolben herrscht Normaldruck aus der Ölwanne.

Jetzt kommt die Verdichtung und die ist klarerweise wesentlich weniger, als sonst. Der Kolben muß jetzt nicht einen Differenzdruck von 0,3 bar überwinden, sondern den Kompressionsdruck von - sagen wir mal - 24 bar und davon gehen jetzt mehrere bar runter, weil das Verhältnis gleich bleibt. In dieser Phase wird der Kolben am stärksten abgebremst, was im Unterschied zum Benzinmotor auch den ganz anderen Leerlauf eines Diesel-Einzylinders erzeugt. Ohne richtig Schwungmasse geht das gar nicht.

Nebenbemerkung:

ich hatte Jo schon mal gefragt, ob man merkt, wenn die Saugluft gedrosselt wird, dass der Motor dann weicher läuft. Er konnte das aber nicht feststellen.

Da sich die Temperatur der Luft durch die Drosselung nicht ändert, bleibt auch die Verdichtungsendtemperatur gleich. Es reicht also, den Treibstoff zu entzünden. Dazu sollte man aber noch sagen, dass bei einem kalten Dieselmotor Wärmeübertragung von Luft ans kalte Material stattfindet, da die Luft auf einen sehr kleinen Raum zusammen gedrückt wird und die Geschwindigkeit beim Anlassen sehr gering ist, spielt die Wärmeübertragung an dieser Stelle durchaus eine Rolle. Das kann dazu führen, dass ein schwacher Anlasser trotz voller Kompression den Motor nicht in Gang kriegt. Bei sehr großen Hubräumen, wie z.B. Schiffen oder Lokomotiven ist das egal, die laufen kalt fast genauso an, wie warm. Wir gehen aber jetzt vom warmen Motor aus, der schon durch die hohe ZK-Oberflächentemperatur weniger Streß mit dem Zünden hat.


Also weiter:

Nun kommt die Verbrennung und erhöht den Druck, sodaß im Abwärtsgang der Kolben die Schwungmasse beschleunigt. Es wird jetzt die Energie im Schwungrad gespeichert, die für die anderen Takte nötig ist. Allerdings besteht die Beschleunigungsenergie nur zum Teil aus der Verbrennung. Der Hauptanteil ist beim Diesel tatsächlich nur die Rückexpansion der vorher komprimierten Luft. Das Feuer gibt nur noch einen Klecks oben drauf. Da aber die Verdichtung schon geringer war, wird die Expansion jetzt auch deutlich geringer. An dieser Stelle gibt es also ein Nullsummenspiel.

Nun öffnet das Auslaßventil und der Restdruck wird abgeblasen. Bei Vollast ist noch eine Menge Restdruck im Zylinder, der während des Abblasens noch weiter den Kolben nach unten treibt. Idealerweise ist dann im unteren Totpunkt alles abgeblasen. Würde man hingehen und das Auslaßventil im UT öffnen, dann müßte der Kolben im Aufwärtsgang noch gegen den sich abbauenden Restdruck anarbeiten. Der Motor liefe also dadurch schlechter. Beim Abblasen gibt es im Auspuff einen Druckstoß. Das ist das Hauptgeräusch, was wir im Auspuff wahrnehmen.

Wir haben in unserem Beispiel an dieser Stelle aber nur schwachen Restdruck, der den Kolben kaum noch weiter schiebt. Wir sagen aber der Einfachheit halber mal, dass im UT der Druck komplett abgebaut ist.

Kurze Zwischenbilanz: wir gehen idealerweise davon aus, dass die Summe von Verdichtung und Arbeitstakt das gleiche Plus aufweist, wie im ungedrosselten Zustand.

Nun kommt der eigentlich Ausschiebevorgang, das Auslaßventil ist offen und der Kolben geht nach oben. Im Unterschied zum gedrosselten Ansaugen muß er nun ohne die Unterstützung von auspuffseitigem Unterdruck auskommen. Er muß die ganz normale Ausschiebearbeit verrichten, die allerdings bei niedrigen Drehzahlen nicht besonders groß ist. Setzen wir sie spaßhalber mal auf Null, das bißchen Luft pusten kostet nicht viel.

Wenn wir dann die Bilanz ziehen und Ansaug und Auspuff vergleichen, stellen wir fest, dass der Motor beim Ansaugen gebremst wird, aber beim Auspuffen nicht wieder beschleunigt wird. Das ist die Mehrarbeit, die zu leisten ist.


Freilich sind das jetzt idealisierte Betrachtungen. Ich habe mal vor langer Zeit ein ziemlich großes und auch etwas wirres Excel-Programm geschrieben, wo man die Kurbelwelle gradeweise dreht und dann immer wieder neu die Verhältnisse im Brennraum berechnet werden. Die Profis nehmen richtige finite Elemente-Berechnungen, setzen Faktoren für Wärmeübertragung, in letzter Zeit sogar 3D-Strömungsbilder beim Gaswechsel im Brennraum - man kann sich da richtig austoben.

Fakt ist, dass die FEV, damals gebildet von Professor Franz Pischinger, heute schon am Computer genau sagen kann, wie ein neuer Motor laufen wird. Hanomedes , der Dominik, hat früher dort gearbeitet. Ich kenne aber noch mehr Leute, die dort tätig sind oder waren. Den spannende Moment des Probelaufs, den wir Hobbytuner so brauchen, gibt es dort nicht mehr. Ein Prüfstandslauf ergibt nur noch marginale Abweichungen von der Theorie. Selbst die Abgasqualität läßt sich heute schon gut rechnerisch voraussagen.

Wie schon geschrieben, man muß sicherlich ein paar Mal in die Runde rechnen, um zu plausiblen Aussagen zu kommen. Wenn z.B. der Druck auf die Kurbellager und die Kolbenseitenkraft im Zylinder maßgeblich am Leistungsbedarf im Leerlauf beteiligt sind, dann könnte es sogar durchaus sein, dass der Treibstoffbedarf sinkt. Wenn dann eine ungünstigere Verbrennung infolge des geringeren Druckes das ganze wieder aufzehrt, dann sieht der Jo keinen Unterschied bei der Messung.


Also warten wir es ab, es darf gewettet werden und ich sage nicht, dass ich Recht habe, aber ich behaupte einfach mal, es müßte mehr werden und bin selbst gespannt.

Sehr interessant wäre auch mal, das Abgas zu analysieren im ungedrosselten und im gedrosselten Zustand. Ich bin überzeugt, dass man einen Unterschied sehen wird.


Gruß

Werner

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