Elektrisch bremsen


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Geschrieben von Werner am 30. September 2020 14:28:48:

Als Antwort auf: Wieso Show? geschrieben von waldi am 30. September 2020 13:11:55:

Moin Waldi,

meine Wortwahl "Show" war wieder provokant, sorry.

Aber noch mal: so einfach, dass die Energie freiwillig wieder zu einem hohen Prozentsatz in die Batterie fließt, ist es wirklich nicht. Die Systeme sind darauf hin ja getestet worden und es hat seinen Grund, warum das nicht so verbreitet ist.

Mal erst wird ein Antriebsmotor so ausgelegt, dass er im Fahrbetrieb seine Leistungen bringen und möglichst wenig Strom verbraucht. Wenn das gut gemacht wird, spart das wesentlich mehr Strom, als der Rekuperationsbetrieb so zwischendurch.

Motoren mit Permanentmagneten eignen sich für einen Betrieb unterhalb der Nennleistung sehr gut zum Strom sparen, sofern man die Frequenz und die Spannung halbwegs genau regeln kann. Asynchronmotoren, wie z.B. im Tesla, sind das im Teilastbereich schon nicht mehr so gut. Dafür haben sie aber mehr Laufruhe und können auch Drehmomente bringen, ohne dass teure und schwere und große Permanentmagneten fällig werden.

Für das Fahrrad sind solch kleine Motoren richtig gut. Vibrationen sind zwar minimal vorhanden, aber es ist mehr ein Surren, als ein unangenehmes Vibrieren. Ich weiß, dass man bei einem Allradversuchsauto (RTWH Aachen) mit Einzelantrieben der Räder von Synchronmotoren wieder weg gegangen ist, weil während der Fahrt durch minimale Drehzahlunterschiede an den Rädern sehr unangenehme Vibrationen und Schwebungen aufgetaucht sind. Welcher Kunde will das ? Man verbindet Elektro schließlich mit lautlosem Schweben.


Ok, aber nun zum Generatorbetrieb. Der Fahrradmotor soll jetzt Strom erzeugen. Das tut er auch, sobald man ihn läßt. Das bremst auch und hält die Reibbremsen jung. Aber nun kommen die Lastfälle:

Bergab längere Zeit:

tolle Sache, wie Frank S. schon schrieb, ein idealer Fall für Rekuperation. Der Motor wird rel. schnell gedreht und erreicht das Spannungsniveau der Batterie, ohne dass groß umgespannt werden muß. Dennoch geht auch bei diesem Betrieb einiges an Energie verloren. Große Trafostationen kann man in ein Fahrrad nicht einbauen, die Induktion wird aber benötigt, um vom Motor wieder zurück in die Batterie zu kommen. Idealerweise nur mit Gleichrichter und bei Drehzahlen, die oberhalb der Batteriespannung liegen => also bei schneller Fahrt.

Nun, bei schneller Fahrt, was ist das ? Nehmen wir mal die Geschwindigkeit von 25 km/h, bei der die Unterstützung des Motors endet. Es ginge noch schneller, darf aber nicht. Wenn die Spannung der Batterie bei dieser Geschwindigkeit gut zum Motor paßt, wird dort mit guten Wirkungsgraden gearbeitet. Die meisten Auslegungen konzentrieren sich um den Bereich 20 km/h, wo am meisten gefahren wird.

Somit müßte für einen wirtschaflichen Generatorbetrieb das Rad mit ca. 30 km/h den Berg runter rollen. Wie stark aber wollen wir dann bremsen ? Der Luftwiderstand ist dann bereits richtig hoch und bremst schon von selbst. Aber gut, es gibt Bergabfahrten, die sind so steil, dass man noch viel schneller werden könnte. Wir fahren also einen Berg mit 30 km/h runter und speisen das, was für 40 km/h ausgereicht hätte, zurück in die Batterie. Das geht und das ist auch ganz vernünftig. Allerdings für den normalen Fahrbetrieb im Flachland rel. selten.


Bremsen aus mittlerer Fahrt, um z.B. an einer Ampel zu halten:

Hier wird die Elektronik auf das Äußerste gefordert. Der Fahrer wünscht eine möglichst gleichmäßige Bremsung, wie er das von mechanischen Bremsen gewohnt ist. Nun muß der Motor als Generator bei abfallender Drehzahl immer die gleiche Stromstärke liefern - in erster Näherung kann man die Stromstärke proportional zum Drehmoment annehmen.

Das Spannungsniveau des Motors sinkt immer weiter, je langsamer die Fahrt wird, aber er soll liefern. Die Elektronik muß also von immer weniger Spannung auf das Ladeniveau der Batterie anheben. Und dies bei variablen Frequenzen !! Man kann also keinen Hochspannungstrafo auslegen, wie im Kraftwerk, wo die Übertragung der Generatorleistung auf Netzspannung mit ordentlichen Wirkungsgraden funktioniert.

Aber auch dort sind die Sprünge nicht so hoch, wie wir das von Fahrzeugantrieben fordern. Ein echter Hochspannungstrafo im Fahrzeug ist die gute alte Zündspule. Fühl, wie warm sie wird, dann hast Du den Wirkungsgrad buchstäblich erfaßt. Er ist nicht hoch, aber für die paar Zündfunken ausreichend gut.

Wir sind inzwischen bei 10 km/h und drunter angekommen und wollen weiter elektrisch bremsen. Damit der Motor als Generator auch wirklich Strom liefert, ohne den es ja nicht bremst, muß die Empfangsspannung der Elektronik ganz stark abgesenkt werden. Sie liegt weit unterhalb des rechnerischen Spannungsniveaus, was für diese Drehzahl im Leerlauf erforderlich wäre.

Und mit dieser schwachen Spannung muß nun die Elektronik zaubern. Sie soll die Energie hochtransformieren und in die Batterie ableiten. Das ist klein leicht und billig einfach nicht zu schaffen. Selbst größere Fahrzeug, wie z.B. Straßenbahnen verbrauchen im Bremsbetrieb bei niedrigen Geschwindigkeiten Strom, anstatt welchen zu produzieren. Dennoch wird es gemacht, weil es die Bremsen schont und sich sehr sauber reglen läßt. Für die Regelungseinheit alleine bräuchte man aber schon einen sehr stabilen Fahrradanhänger, wollte man sie transportieren.

Elektronik ist toll und ich möchte sie nicht missen. Aber es werden ihr mitunter auch Fähigkeiten zugeschrieben, die so nicht sind. Von niedriger Spannung nach hoher Spannung ist immer schwierig. Umgekehrt geht es gut, da kann man richtig was machen und das wird ja auch gemacht.

Aber ich sag nochmal: besser einen Motor für den Fahrbetrieb optimieren um Strom zu sparen, als zu versuchen einen Zwitter zwischen Motor und Generator zu bauen. Wollte man das richtig ernsthaft machen, käme vermutlich für den Bremsbetrieb ein eigener Generator zum Tragen, der ganz anders ausgelegt ist.

Wer weiß, die Entwicklung geht weiter und man soll nie "nie" sagen. Das tue ich auch nicht, aber zurzeit sind Stromrückspeisungen eher für Fahrzeuge geeignet, bei denen richtig Masser verzögert werden muß und nicht, wie bei Fahrrädern, es im wesentlichen nur um das Anhalten oder zarte Anbremsen vor Abbiegungen geht.

Müßte Jo seinen Motor ständig mitdrehen, wenn ihm die 25 km/h mal nicht ausreichen, dann würde er sich bestimmt darüber ärgern. Und wenn es mal "hui" bergab geht und die 40 km/h erreicht werden, will er gewiß noch nicht bremsen, wie ich ihn einschätze. Ohne Freilauf allerdings würde schon durch die Eigenbremsung das gar nicht mehr erreicht werden und der Traum von Rekuperation würde ohnehin nicht wahr.


Gruß

Werner

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