Nöö, weiß ich nicht


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Geschrieben von Werner am 30. Juli 2020 00:17:13:

Als Antwort auf: Ja, wir sollten an das Alter denken... geschrieben von Joachim S am 29. Juli 2020 15:54:47:

Moin Jo,

hab ich gar nicht mitgekriegt, den Unfall.

Dass jetzt Fragen aufkommen über die Sicherheit von UL-Flugzeugen, halte ich für total überzogen. Die Flugzeuge sind sicherer, als "richtige" Flugzeuge und richten bei Abstürzen weniger Schaden an, als eine Cessna oder Piper.

War halt blöd, dass es auf ein Haus ging, aber eine Cessna wäre noch ein Stockwerk tiefer gefallen.


An technischen Defekt glaube ich nicht so richtig. Eher scheint mir wahrscheinlich, dass das Flugzeug zu schnell war und entweder durch Steuereingaben oder durch Wetter sich in der Luft zerlegt hat. Die Typen von der FUS werden das aber rausfinden, wenn sie die vorher runter gefallenen Teile untersuchen.

Hierzu ein paar Erläuterungen: UL-Flugzeuge müssen bei 65 km/h mit voller Beladung noch fliegen können. Der Gesetzgeber will nicht, dass auf kurzen Rasenplätzen mit 100 Sachen über die Piste gebrettert wird. Früher war das Limit mal 55 km/h, inzwischen ist es auf 83 angehoben worden. Das abgestürzte Flugzeug ist aber noch nach der alten Vorschrift gebaut.

Schaue er hier auf die Daten:

https://www.wezel-flugzeugtechnik.de/ultraleichtfluggeräte/tl-96-sting/

Diese niedrige Geschwindigkeit ist Segen und Fluch zugleich. Ich kann mit einem modernen Hochleistungs-UL bei uns hier in Weilerswist starten auf einer kurzen Wiese, wo ein Sportflugzeug keine Chance hätte.

Wenn ich dann in der Luft bin und alle meine aerodynamischen Finessen, die diese niedrige Geschwindigkeit ermöglichen, einklappe, dann wird das Ding derart schnell, dass Sportflieger nicht selten vor Neid erblassen.

In den technischen Daten findest Du eine Angabe zur höchsten Geschwindigkeit bei böigem Wetter = es sind 216 km/h. Das wird nach eine bestimmten Regel getestet und heißt nich, dass diese Geschwindigkeit immer auch sicher ist.

Was steckt dahinter? Wenn ich mit meinem Flieger mit 65 km/h noch fliegen kann, dann trägt die Tragfläche genau 1g. Fliege ich doppelt so schnell, was noch im Bereich der niedrigen Geschwindigkeit, dann kann mein Flügel bereits 4g tragen - also plus das dreifache des Gewichtes - allerdings nur mit Landeklappen.

Dennoch, testen wir mal die Mindestgeschwindigkeit ohne Landeklappen. Ich kenne sie nicht, aber ich unterstelle man, sie wird bei ca. 80 km/, vielleicht knapp 90 liegen, vermutlich irgendwo dazwischen.

Dann sind 170 km/h schon belastungsmäßig fast am Ende der möglichen Strukturbelastung von 4,6 g. Und 170 sind für solch ein Ding kein Ding, das fliegt der mit weniger, als Halbgas.

Nun schrauben wir die Geschwindigkeit auf das Dreifache , nämlich 255 km/h, oder (Herstellerangabe) 260 km/h, dann kann der Flügel potentiell das 9-fache des normalen Auftriebs erreichen. Das hält die Karre nicht aus. Ein kleiner, vielleicht sogar unbeabsichtigter Ruck am Knüppel, Kartenmaterial runter gefallen, irgendwas und Du ziehst MÄCHTIG gehs.

Fliegt man genau geradeaus und kommt mit dem Zinken in eine wirklich starke Turbulenz, dann geht dem Flieger buchstäblich die Düse. Er wird mit Gewalt hoch oder runter gerissen. Die Flügel warten nur darauf, ein paar Grad Anstellwinkel zu kriegen.

Hersteller warnen davor nur indirekt, geben ihre Daten an, möchten aber nicht, dass der Kunde denkt, schnell fliegen könnte ein Sicherheitsrisiko sein. Leider ist dem aber so. Es ist nicht der erste Absturz eines Hochleistungs-ULs. was sich in der Luft zerlegt hat.

Auch der Fallschirm hat Betriebsgrenzen. Wird es zu schnell, reißt er ab. Unabhängig davon würde es eh nichts nützen, weil der dann mit seinen Leinen das Flugzeug zerreissen würde.

Sonnenböen können manchmal wie mit dem Hammer unter die Flügel hauen. Mir ist es schon passiert, dass die Vereinsmaschine die Hütchen auf den Schrauben dabei verloren hat. Im Sauerland bei gar nicht mal großer Thermik tat es einen Schlag und ich sah die schwarzen Hütchen springen. Großer Schreck erst "ist was abgebrochen?"

Je schneller das Luftfahrzeug in solche Zonen einfliegt, desto abrupter wird die Beschleunigung nach oben oder unten. Dazu kommt noch, wenn es mal ganz extrem wird, dass beim langsamen Fliegen einfach die Strömung sich am Flügel ablöst. Kein schönes Gefühl, man muß den Vogel wieder abfangen, aber er ist wenigstens noch heile . . .

Dann gibt es leider noch einen Punkt, der zum Leichtsinn verführt: die moderne Navigationstechnik. In meinem Mini-Einsitzer ist ein Bildschirm-Instrumtent drin, von dem die Verkehrspiloten der 60/70er Jahre nur träumen konnten. Das verleitet manchen einfach mal durch Wolken zu fliegen. Es ist verboten, deshalb gibt es keiner zu, aber es wird gemacht. Wenn man dann keine Übung hat und das Flugzeug doch mal versehentlich in ein hartes Manöver bringt, dann kann es schon passiert sein.


So, langer Text vom Insider. Ich gehe zwar nicht sicher davon aus, aber könnte mir sehr gut vorstellen, das die Piloten einem solchen Phänomen zum Opfer gefallen sind, haben evtl. ein paar Sekunden gebraucht, um zu erkennen, was passiert ist und haben dann den Rettungsschirm ausgelöst. Wenn der fallende Rumpf mit halbem Flügel o.ä. dann schon richtig Speed aufgenommen hat, ist der Schirm einfach abgerissen und dann spätestens wußten die Typen, dass es vorbei ist. Steuern geht dann nicht mehr, wenn man auf ein Haus zu fällt, ist man drin.


Mein Doppeldecker war imstande, mit mir alleine drin, noch bei 43 km/h zu fliegen, allerdings mußte man dazu ziemlich viel Gas geben und den Knüppel fast ganz an den Bauch ziehen. Im schnellen Reiseflug flog der aber nur 90 km/h und bei Böen hat der einfach nur ein bißchen geschaukelt. Bei 70 war selbst unleidiges Wetter mit dem Ding total relaxt zu fliegen.

Wie gesagt, Segen und Fluch.

Gruß

Werner


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