Re: Computerfuzzis


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Geschrieben von Werner am 10. September 2018 21:26:00:

Als Antwort auf: Computerfuzzis geschrieben von Johannes D am 10. September 2018 20:48:08:

Moin,

ich bin selbst auch tätig in den Steuerungen der Anlagen, die wir bauen. Ich habe auch etwas zu emotional geschrieben - gebe ich zu.

Aber für mich, der in den 80ern die große Automatisierungswelle mitgemacht hat, ist es heutzutage richtig schwierig geworden, jungen Kollegen erstmal die Technik zu erklären. Unsere Anlagen bestehen ja nicht aus Computern, sondern sie werden von ihnen gesteuert. Wie oft ziehe ich Kollegen am Ärmel weg vom Bildschirm hin zum Aggregat, damit sie erstmal für den richtigen Betrieb ein Gefühl bekommen und ein Urteil fällen können.

In den Gesprächen wollen die Kunden alles automatisch und stellen sich doof. Das sind sie nicht, aber sie wollen sich nicht auf das Glatteis einer Fehlbedienung begeben. Hinterher, wenn alles installiert ist und halbwegs läuft, werden die Tricks gehandelt, wie man die Software umgeht und dann doch irgendwie fahren kann.

Und ich sitze dazwischen und denke: "Das kann es doch nicht sein!"

In jedem Handbuch schreibe ich eine Seite generell über Automatisierung, damit das Märchen vom Zauberknopf ausgeträumt ist. Aber das liest kaum einer.

Bei Fehlersuchen machen wir die unglaublichsten Dinge, um auf dem langen Weg zwischen Sensor und verarbeitender Software herauszufinden, wer mogelt bzw. falsch parametriert ist oder ähnlich.

Auch das geht letztlich noch und ich kriege meine Arbeitszeit bezahlt und habe keinen Grund zu klagen. Aber die jungen Kollegen können das Wesen der Technik nicht mehr erkennen, weil sie 80% der Zeit damit zubringen, zu überlegen, warum die Steuerung jetzt wieder das oder das gemacht hat.

Steuerungen sind keine eigenen Wesen. Jede Spekulation über die Funktion einer Steuerung ist eine Spekulation zu viel. Der gute Programmierer programmiert und dokumentiert sie so, daß der Benutzer jederzeit den vollen Durchblick hat, aber von stupider oder sehr genauer Arbeit entlastet ist. Wenn ich zu Programmierern sage, die Steuerung muß quasi ein offen laufendes Getriebe sein, dann ist mancher pikiert. Zu verlockend ist es doch, ein paar Dinge zu programmieren, von denen keiner weiß, wie sie funktionieren.

Die Gewerkschaft Cockpit hat eine anonyme Umfrage gemacht, wie oft es Piloten passiert, daß sie eine Weile lang nicht wissen, warum der Autopilot dieses oder jenes gemacht hat. Die Ergebnisse waren gehäuft. DAS DARF ÜBERHAUPT NICHT SEIN !

Wenn Pilot (ist nur ein Beispiel, kann auch ein Autofahrer sein oder sonstwas) nicht begreift, warum sein Flugzeug ins Trudeln gekommen ist, kann man ihm physikalisch näher bringen, was da abgelaufen ist und was er tut, damit das nicht passiert. Bei einer Steuerung kann der beste Wissenschaftler nichts ausrichten, wenn er nicht weiß, was programmiert wurde. Er ist also abhängig von der zum Teil willkürlichen Festlegung eines anderen.

Auch ein schleuderndes Auto unterliegt physikalischen Gesetzen - oder ein Motor mit Verbrennungsraum oder oder

Aber die Leute denken nicht mehr über das Übersteuern eines Fahrzeuges nach, sondern darüber, wann und warum das ESP anspricht. Und das ist das, was ich anklage.

Wir alten Böcke, die mit primitiven Computern groß geworden sind, sind ja gar nicht betroffen, aber die folgende Generation hat doch kaum noch Motivation, die Physik zu erlernen und auch kaum noch die Chance, sie selbst zu "erfahren".

Wann kommt das Fahrrad mit elektronischem Lenkausgleich? Ein System, wo ein Nicht-Fahradfahrer auch mit fahren kann . . . .

Wenn Du verstehst, was ich meine. ;)


Gruß

Wännä


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